Mit dem Postulat 16.3267 «Evaluation von Via sicura» wurde der Bundesrat beauftragt, die Via-sicura Vorlage einer Gesamtevaluation bezüglich Wirksamkeit zu unterziehen und den Räten je nach Ergebnis Gesetzesänderungen zu unterbreiten. Im Bericht vom 28. Juni 2017 empfiehlt der Bundesrat im Wesentlichen die Aufhebung der Mindestfreiheitsstrafe bzw. Milderung der Mindestentzugsdauer des Führerausweises bei einem Raserdelikt, die Umwandlung der Regresspflicht der Haftpflichtversicherung in ein Regressrecht sowie den Verzicht auf die noch nicht umgesetzten Massnahmen „Blackbox“ für Geschwindigkeitsdelinquenten und die Alkohol-Wegfahrsperre. Den vollständigen Bericht finden Sie hier.

Die Evaluation führt im Ergebnis zur bundesrätlichen Zustimmung zu den parlamentarischen Initiativen der Nationalräte Fabio Regazzi „Via Sicura. Rasche Beseitigung der Exzesse und unerwünschten Nebeneffekte des Raserdelikts“ (Geschäft 15.413) und Jean-Luc Addor „Via sicra: Nein zur Dreifachbelastung“ (Geschäft 15.550). Dabei war es die Initiative von Regazzi, die den Ständerat veranlasste, ungeachtet der bloss kurzzeitigen Umsetzung eine Evaluation der Massnahmen in Auftrag zu geben.

Insbesondere die Modifikation des Tatbestands „Raserdelikt“ (Art. 90 Abs. 3 und 4 SVG) war immer ein zentrales Anliegen unseres Seniorpartners Hans Giger, der die Bestimmung in seinem SVG-Kommentar und in unzähligen Fachartikeln kritisiert und die (angeblich) verschuldensunabhängige Fiktion von Art. 90 Abs. 4 SVG für verfassungswidrig erklärt hat. Bezüglich des Verschuldens erwog das Bundesgericht in Achtung dieser Lehrmeinung bereits im Leitentscheid vom 1. Juni 2016 (142 IV 137), dass die objektive Überschreitung der in Absatz 4 festgelegten Grenzwerte nicht zwangsläufig zu einer Verurteilung führen muss.

Es muss tatsächlich der Anspruch eines Rechtsstaats sein, der Rechtsprechung gerade im Bereich des Strafrechts ein Ermessen einzuräumen, welches dem Einzelfall gerecht wird. Diesem Anspruch genügt die Schweiz im Bereich der Beurteilung von Geschwindigkeitsdelinquenz kaum noch.